(M)ein Blick zurück auf 2 Jahre Ampel
Mit jeder Bundestagswahl endet ein Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte und ein neues beginnt. Genau zwei Jahre ist es her, dass nach langen 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung und nach gefühlt noch längeren 16 Jahren grüner Opposition ein politischer Wechsel anstand: Die Ampel war geboren. Und auch für mich persönlich war dieser Tag sehr prägend: Ich würde Mitglied des Deutschen Bundestages werden.
Mittlerweile habe ich mich zwar daran gewöhnt, in den Sitzungswochen in den Ausschuss- oder Plenarsaal zu gehen, einen Großteil meiner Zeit an der Spree, im Berliner Regierungsviertel zu verbringen. Den Respekt vor der Aufgabe und das Wissen um das Privileg der Gestaltung von Wirklichkeit habe ich aber bis heute nicht verloren.
Die Zeit, in der wir leben, und in der wir Politik machen, ist nicht ärmer an Herausforderungen geworden. Der brutale, völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dauert an. Und während ich diesen Newsletter schreibe, nehmen Angriffe gegen demokratisch gewählte Amts- und Mandatsträger zu, teilen immer mehr Menschen rechtsextreme Einstellungen, zeigt sich bei vielen eine Unruhe und eine immer stärkere Polarisierung. Unter uns allen erlebe ich eine große Müdigkeit nach der weithin überstandenen Corona-Pandemie und manchmal auch Verzweiflung ob der sich weiter zuspitzenden Krisen und Gewalt, der Ungewissheit der Zukunft. Das prägt auch die politische Arbeit.
“Krise” – ein Schlagwort, das wir oft bemüht haben und wohl leider weiterhin bemühen müssen. Wir sind, bei aller Gewöhnung, in einer Ausnahmesituation. Der Krieg hat nicht nur die weltpolitische Ordnung erschüttert, er hat uns auch unsere massiven Abhängigkeiten vor Augen geführt, auf die wir in der Ampel unter Einsatz ganzer Kraft und viel, viel Geld reagieren. Mit dem 200-Milliarden-Abwehrschirm haben wir die Grundlage für Gas- und Strompreisbremsen, Härtefallfonds und die Stützung von Unternehmen gelegt; die Debatte um einen möglichen Brückenstrompreis wie auch das Klimageld dauert weiter an.
Jetzt rächt sich der politische Modus der letzten Jahre, der im Kern “Nach uns die Sintflut” hieß. Probleme wurden ignoriert, kleingeredet und vertagt, die Politik der kleinen Schritte war am Ende zunehmend eine des Stillstands. Der aufgebaute Investitionsstau führt dazu, dass wir nun einen Zahn zulegen müssen. Und die Schnelligkeit und der massive Druck, unter dem Entscheidungen getroffen werden müssen, erzeugt eine Atmosphäre der Dünnhäutigkeit, in der der ein oder andere Streit schneller ausbricht.
Und insbesondere in der Energiepolitik vollzieht die Ampel-Regierung auch einen massiven Spagat zwischen kurzfristiger Absicherung und langfristiger Umstellung. Diese Ambivalenzen und Gleichzeitigkeiten zeichnen die Ampel aktuell aus. Wir gehen fest entschlossen Richtung Klimaneutralität – und benötigen gleichzeitig fossile Importe und Infrastruktur für LNG.
Insbesondere unter grünen Wähler*innen und Sympathisant*innen mag sich die Frage breit machen: Lohnen sich der Schweiß und die Tränen? Gehen wir zu viele Kompromisse ein? Wie wird am Ende die Bilanz der Ampel aussehen – und wird jemand dafür bezahlen?
Eins habe ich in den zwei Jahren gelernt: Als Regierungspartei hat man Gestaltungschancen und -macht. Aber nicht alles, was man will und für richtig hält, bekommt man auch. Sogar ziemlich sicher nicht.
Das kann man bedauern und bemängeln, dass alles zu langsam geht und am Ende immer mehr oder weniger bittere Kompromisse stehen. Aber Fortschritt in einer parlamentarischen Demokratie, die auf Mehrheitsfindung und Mehrheitsbildung angewiesen ist, ist ein evolutionärer, kein revolutionärer Prozess. Man kann kritisieren, dass etwa die verabredete Kindergrundsicherung nur ein Einstieg in eine echte Bekämpfung von Kinderarmut ist. Oder man freut sich, wenigstens fünf der nötigen zehn Schritte schon gegangen zu sein, denn darauf aufbauend lassen sich die übrigen fünf leichter gehen.
Diese Erfahrung macht beispielsweise die CDU-Verkehrssenatorin in Berlin: Es ist schwieriger, einen bereits gebauten Radweg wieder zu einer Anreihung von Parkplätzen für Stehzeuge zu machen, als den Bau neuer Radwege zu verhindern…
Für die nächsten zwei Jahre wünsche ich mir, dass wir trotz der Notwendigkeiten und Beschränkungen des Regierungshandelns die großen Zusammenhänge, unsere Werte, das, wofür wir stehen und vor zwei Jahren angetreten sind, nicht aus dem Blick verlieren. Wir wollen nicht weniger als unser Wirtschaften in Einklang mit den planetaren Grenzen bringen – für uns, unsere Kinder und unsere Enkelkinder.
Die Klimakrise hat mich in den letzten zwei Jahren in meiner politischen Arbeit intensiv begleitet und geprägt. Und manche Debatten lassen mich auch ratlos zurück – so zum Beispiel auch die Erkenntnis, dass andere Fraktionen nicht mit der gleichen Dringlichkeit auf diese riesige Herausforderung schauen. Klimaschutz ist sicher nicht ein Special Interest der Grünen. Doch solange unsere Gesprächspartner ihn so verstehen, wird es keine Klimapolitik geben, die im Einklang mit der ökologischen Wirklichkeit steht.
Gleichzeitig trage ich auch Hoffnung und Zuversicht in mir. Die Weichen sind gestellt für den beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie, den Ausstieg aus fossilen Energien und für mehr Energieeffizienz – und damit werden wir in Zukunft über günstigen und sauberen Strom für einen klimaneutralen Industriestandort verfügen. Die Energiewende kann zum Motor für gute Jobs werden. Für Industriestandorte, wie es das Ruhrgebiet und insbesondere auch Duisburg als Zentrum der Stahlindustrie und mit dem größten Binnenhafen Europas sind, ist es eine riesige Chance, sich zum Hotspot der Wasserstoffwirtschaft zu etablieren. Und seit diesem Jahr wird die Produktion von grünem Stahl gefördert – natürlich (auch) in Duisburg.
Was ist sonst noch passiert in den letzten zwei Jahren? Hier ein unvollständiger Überblick:
- Mittlerweile zwei parlamentarische Haushaltsverfahren – mit größeren und wirksamen Mittelerhöhungen für die von mir betreuten Etats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
- Im Wirtschafts- und Klimahaushalt freue ich mich, dass ich erfolgreich für Mittelerhöhungen für den internationalen Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität verhandelt habe, Bürgerenergiegesellschaften bei Windenergieanlagen fördern ebenso wie den Mittelstand und KMU. Wir haben außerdem die berufliche Bildung gestärkt und dafür gesorgt, dass gerade in strukturschwachen Regionen Investitionen in den wirtschaftlichen Aufschwung und die Daseinsvorsorge gesichert sind. Im Klima- und Transformationsfonds haben wir Programme zur Dekarbonisierung von Industrie und Handwerk ausgebaut und arbeiten daran, mit dem Klimageld den sozialen Ausgleich zu finanzieren.
- Im Etat des BMZ konnten wir in beiden Haushaltsverfahren – auch durch einen Ergänzungshaushalt und eine sogenannte Krisenvorsorge – den Etat deutlich aufwachsen lassen, um mehr Geld für die Prävention von Krisen und Konflikten und die Verbesserung der existenziellen Lebensgrundlage vulnerabler Menschen zu erreichen. Dabei legen wir in der Ampel immer auch einen Schwerpunkt auf feministische Entwicklungszusammenarbeit und unterstützen die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen als zentralen Aspekt nachhaltiger Entwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Etat ist für mich ebenfalls die internationale Klimaschutz- und Biodiversitätsfinanzierung, wo wir in beiden Haushaltsverfahren Verbesserung erreichen konnten.
- In meinem Fachbereich (Fachbereich für Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen, Haushalt) veranstalte ich seit diesem Jahr eine industriepolitische Fachgesprächsreihe. Beide Veranstaltungen – zu grünen Leitmärkten und Ansiedlungen von (Klima-)Industrien – waren extrem spannend. Weitere Gespräche folgen im nächsten Jahr.
- In der Projektgruppe Klimaneutral Wirtschaften, die meine Kollegin Lisa Badum und ich gemeinsam leiten, tauchen wir tief ein in die unterschiedlichen Industriezweige und Baustoffe – Chemie, Stahl, Zement … und dabei immer auf der Suche danach, wie Klimaneutralität in allen Branchen bis 2045 hergestellt werden kann.
- Zur maritimen Souveränität und der maritimen Wirtschaft, die sich ebenfalls in der Transformation befindet, habe ich mit meinen Ampel-Kollegen einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht – in 66 konkreten Forderungen skizzieren wir darin, was maritime Souveränität in der Zeitenwende bedeutet und wie wir den maritimen Sektor zum Motor der Energiewende machen.
- Ich habe mich dafür eingesetzt, dass sich ein Produzent von Offshore-Konverterplattformen in Rostock-Warnemünde ansiedeln kann – und just kam vor wenigen Tagen die Nachricht, dass das nun auch tatsächlich die notwendigen Komponenten für den weiteren Ausbau der Windenergie in Rostock produziert werden können. Damit stärken wir den Klimaschutz, unsere Unabhängigkeit und geben gute Jobs in die Region.
- Ich habe mich intensiv mit kurzsichtigen und aus meiner Sicht für unsere Unabhängigkeit fatalen Investitionen aus China an unserer kritischen Infrastruktur, wie z.B. an einem Containerterminal in Hamburg, beschäftigt.
- Im Haushaltsausschuss war ich außerdem mit den Entscheidungen rund um den Aufbau weiterer LNG-Infrastruktur befasst – und der wichtigen Entscheidung, ob hier Sicherheitspuffer geschaffen werden, die zumindest entweder ökonomische noch ökologische Risiken haben. Ich bin froh, dass wir immerhin die LNG-Tankschiffe in Sellin verhindern, die Kapazitäten verringern und das wirtschaftliche Risiko von der öffentlichen Hand auf private Unternehmen verlagern konnten, wenn auch verständlicherweise weiter Bürger*innen in Rügen gegen den Aufbau am Industriehafen Mukran protestieren. Hier findet ihr meine persönliche Erklärung, die ich am Ende dieses parlamentarischen Prozesses verfasst habe.
- Und vieles weitere mehr…
In den nächsten zwei Jahren werden wir hier weitere Schritte gehen, mal große, mal kleine, aber das Ziel fest vor Augen. Oder, um es mit Rio Reiser zu sagen: Schritt für Schritt ins Paradies.
Ich freue mich, wenn ihr und Sie mich dabei weiter begleitet/begleiten! Dazu lade ich herzlich ein, mir auch in den sozialen Medien zu folgen.