Ein Land, das einfach funktioniert

In Berlin, aber auch in vielen Landeshauptstädten, versuchen sich die Regierungen an der Aufstellung des nächsten Haushalts. Die Lage ist angespannt, und so verwundert es nicht, dass diese Haushaltsaufstellungen wahlweise zu noch mehr Kopfzerbrechen oder mehr Konflikt führen als sonst. Haushaltspolitik ist Gerechtigkeitspolitik in ihrer brutalsten Form.

Und es ist auch kein Wunder, dass sich auch aus den Ländern deswegen immer mehr CDU-Ministerpräsidenten mit Vorschlägen zu einer Reform der Schuldenbremse äußern. Anders als ihr Bundesvorsitzender träumen diese nämlich nicht nur vom Regieren, sondern müssen in der konkreten politischen Realität Haushalte aufstellen. Dieser Einblick in die Wirklichkeit führt bei einigen zu dem Pragmatismus, der dem Vollblutoppositionellen Friedrich Merz fehlt.

Was macht diese politische Realität aus? Ein Krieg in Europa mit all seinen Auswirkungen. Preissprünge bei Energie- und Lebensmittelpreisen haben umfangreiche Entlastungspakete für Wirtschaft und Gesellschaft nötig gemacht. Bis heute wirken sie sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie aus, die Wirtschaft stagniert. Gleichzeitig erfordert diese „Zeitenwende“ zusätzliche Ausgaben für unsere Sicherheit, ob durch die Ertüchtigung der Bundeswehr oder unser nicht-militärisches internationales Engagement. Und nicht zuletzt schweben über allem weitere große Umbrüche: Ein harter internationaler Standortwettbewerb um Zukunftstechnologien, bei dem Deutschland den Anschluss zu verlieren droht. Die Krise der Klimaerhitzung mit all ihren Bedarfen für Umbau und Anpassung an veränderte Bedingungen. Und nicht zuletzt ein öffentlicher Investitionsstau, der sich immer stärker in verrottender Infrastruktur niederschlägt.

Kurzum: Die Einnahmen sinken (nicht nominell, aber real), die Ausgabenbedarfe steigen. Und sie steigen in den kommenden Jahren weiter.

Die grüne Bundestagsfraktion hat vor wenigen Monaten einen konkreten Vorschlag in die Debatte um eine Reform der Schuldenbremse gebracht: Einen Deutschland-Investitionsfonds, mit dem wir

  1. die Modernisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft vorantreiben und die Ansiedlung von Klima-Industrien fördern,
  2. Investitionen in die Infrastruktur – für Verkehr, Schienen, Wasserstoff, Digitalisierung – finanzieren,
  3. die Länder und Kommunen anteilig bei den dringend benötigten Investitionen vor Ort – für Schulen, Krankenhäuser, Busse und Bahnen, bezahlbare Wohnungen, Schwimmbäder und Sportplätze – unterstützen.

Wir wollen ein Land, das einfach funktioniert. In dem Fahrpläne nicht nur grobe Orientierungspunkte für die Abfahrt von Zügen und Bussen sind. In dem Brücken rechtzeitig saniert werden, bevor sie gesperrt oder gar gesprengt werden müssen. In dem man leichter ins Bürgeramt kommt als ins Berghain.

Nein, das alles ist nicht nur eine Frage des Geldes. Aber eben auch. Und wir schlagen vor, die Schuldenbremse zumindest so zu reformieren, dass es am Geld nicht scheitert. Der Deutschland-Investitionsfonds richtet sich an Bund, Länder und Kommunen. Niemanden interessiert, welche Ebene dafür verantwortlich ist, dass die Dinge nicht funktionieren.

Deshalb war ich in der vergangenen Woche mit meiner Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Katharina Dröge, sowie meinen Nachfolger*innen im Amt der Landesvorsitzenden der NRW-Grünen, Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer, in der Landespressekonferenz im NRW-Landtag. Im Bund sind wir Teil einer Ampel-Koalition, in NRW regieren wir mit der CDU zusammen. Unser Aufschlag ist deshalb eine Einladung an unsere politischen Mitbewerber und jeweiligen Koalitionspartner.

In dieser Lage können wir uns keinen verhärteten Streit zwischen den Parteien oder den Ebenen leisten. Die Frage, wie wir mit den großen Investitionsbedarfen in den öffentlichen Haushalten umgehen, betrifft uns alle. Und sie ist dringlich. Niemand, der Verantwortung trägt oder tragen will, kann sich dieser Frage entziehen. Es ist ermutigend, dass kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine neue Institution einen Reformvorschlag unterbreitet. Das Feld ist damit offen!

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