CCS & CCU oder: Was machen wir mit den Emissionen, die wir nicht vermeiden können?

2045 wollen wir klimaneutral sein – also unterm Strich nicht mehr CO₂ und andere Treibhausgase ausstoßen, als wir etwa durch natürliche CO₂-Senken wie Moore und Wälder der Atmosphäre entziehen. Das gelingt nur, wenn wir bei der Minderung ambitioniert vorangehen. Leider wird das allein aber nicht ausreichen.

Es bleiben nämlich einige Prozesse, bei denen wir – zumindest Stand heute – keinen technischen Weg kennen, die Emissionen auf null zu bringen. Das betrifft etwa Zement- und Kalkindustrie, wo das CO₂ durch den chemischen Prozess entsteht. Es betrifft aber auch die Müllverbrennung, die auch dann nicht schnell genug überflüssig wird, wenn wir noch so ambitionierte Kreislaufwirtschaftskonzepte entwickeln und umsetzen. Für diese Prozesse wird zukünftig die Abscheidung des entstehenden CO₂ an der Anlage und die weitere Nutzung (Carbon Capture and Usage, CCU) oder Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) ein entscheidender Faktor sein.

Die Älteren unter euch und Ihnen wissen, dass sich die Debatte um CCS und CCU früher im Kern darum drehte, darüber etwa fossile Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. Und auf der diesjährigen Klimakonferenz in Dubai hatte diese Idee weiterhin viele Fürsprecher. Sie war damals falsch und sie ist es auch heute. Denn für die Energieversorgung haben wir mit den Erneuerbaren und Wasserstoffkraftwerken zur Reserve ökologisch und am Ende auch ökonomisch bessere Alternativen. Das einzige Interesse an CCS und CCU  haben die, die auf dem Verbrennen fossiler Energieträger ihr Geschäftsmodell aufbauen und dieses durch die Energiewende bedroht sehen.

Als Grüne haben wir diese Technologie in der Vergangenheit kritisch betrachtet. Denn CCU/CCS ist nicht nur enorm kostenintensiv, es braucht auch eine völlig neue Infrastruktur für Transport und Speicherung. Beides ist mit bislang schwer benennbaren Risiken für Umwelt-, Natur- und Meeresschutz verbunden. Deshalb haben wir bislang – übrigens im Einklang mit der Gesetzgebung, die derzeit weder Pipeline-Transport noch Speicherung erlaubt – von CCU und CCS abgeraten.

Bis heute kreist die öffentliche Debatte zwischen einer primär gefährdungsorientierten Abwehr auf der einen Seite und einer naiv-technologie”offenen” Sehnsucht nach dem Heilsbringer, der alle Schwierigkeiten der CO₂-Vermeidung im Nichts auflöst, auf der anderen. Ich plädiere für einen pragmatischen Weg, der Nutzen und Risiken in eine kluge Abwägung bringt. Einen solchen haben die Grünen nun beschritten.

Im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse schlagen wir im Einklang nicht zuletzt mit dem Weltklimarat (IPCC) vor, CCU/CCS als Teil einer Klimaneutralitätsstrategie neu zu bewerten und für die Anwendungen zu ermöglichen und zu fördern, in denen es keine technische Alternative gibt. Vorrang hat weiterhin die Vermeidung von CO₂.

Als grüne Bundestagsfraktion haben wir in der letzten Sitzungswoche ein umfassendes Positionspapier beschlossen, das ich gemeinsam mit unserer klimapolitischen Sprecherin Lisa Badum, unserem umweltpolitischen Sprecher Jan-Niclas Gesenhues und weiteren Kolleg*innen verfasst habe. Darin sind von den Anwendungsgebieten über die Förderung bis hin zu Umwelt- und Meeresschutz alle Fragen en detail angesprochen. Es steht auch im Einklang mit dem Beschluss, den unsere Partei auf ihrem letzten Parteitag im Rahmen des Europawahlprogramms getroffen hat.

Für alle, die das ganze Papier nicht lesen wollen: Das Handelsblatt berichtet heute exklusiv darüber und ordnet es in die industrie- und energiepolitische Debatte ein.

Mit diesem Beschluss geben wir den Industriezweigen, die CCU/CCS brauchen, um die Netto-Null-Ziele erreichen zu können, ein Signal der Unterstützung und Planungs- und Investitionssicherheit. Gleichzeitig setzen wir pragmatische Grenzen, um Umwelt- und Naturschutz gerecht zu werden und die Verlängerung fossiler Geschäftsmodelle zu verhindern. Damit setzen wir auch den Rahmen für die Carbon-Management-Strategie, die derzeit im Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet wird. Denn am Ende werden gesetzliche Änderungen stehen, die im Parlament beraten und beschlossen werden müssen.

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