Persönliche Erklärung zum LNG-Beschleunigungsgesetz
Heute hat der Deutsche Bundestag über eine Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes abgestimmt. Damit wird am Standort Mukran der Aufbau einer LNG-Importinfrastruktur ermöglicht. In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich intensiv damit u.a. im Haushaltsausschuss beschäftigt. Mich haben auch viele Zuschriften, viele auch direkt von der Insel Rügen, erreicht. Zu meinem heutigen Abstimmungsverhalten habe ich, gemeinsam mit meinem Kollegen Sven-Christian Kindler eine Persönliche Erklärung verfasst:
Persönliche Erklärung nach §31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
zum Abstimmungsverhalten in der 116. Sitzung des Deutschen Bundestages am 07. Juli 2023 zum Zusatzpunkt 2./3. Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes, Drucksache 20/7279:Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in großer Brutalität die energiepolitische Verwundbarkeit der Bundesrepublik zu Tage befördert. Den Preis für das scheinbar „billige“ russische Erdgas haben schon über viele Jahre die Staaten Osteuropas, allen voran die Ukraine, gezahlt. Und auch wir in Deutschland haben nun hohe Kosten für die Ersatzbeschaffung. Die über Jahrzehnte bewusst und gegen jede Zweifel, Warnungen und Widerstände verfolgte Politik immer tieferer Abhängigkeiten von Russland ist ein großer außen-, energie- und wirtschaftspolitischer Fehler.
Die veränderte Situation in der Gasversorgung Deutschlands hat in den vergangenen Monaten für viel Verunsicherung in der Bevölkerung und der Wirtschaft gesorgt. Die von uns mitgetragene Bundesregierung hat auf diese Verunsicherung einige notwendige Antworten gefunden, unter anderem mit der schnellen Verabschiedung des LNG-Beschleunigungsgesetzes im vergangenen Jahr. Und sie beschäftigt sich auch weiterhin damit, die Energieversorgung in Deutschland zukunftssicher aufzustellen. In dieser Woche haben wir das Energieeffizienzgesetz beschlossen und auch das Gebäudeenergiegesetz steht kurz vor der Verabschiedung. Damit sind zwei Gesetze auf dem Weg, die die Versorgungssicherheit durch die Reduktion des Energieverbrauchs bewirken werden.
Mit der in der Novelle des LNG-Beschleunigungsgesetzes geplanten Aufnahme des Standortes Mukran wird die Errichtung einer weiteren LNG-Importinfrastruktur in einem beschleunigten Verfahren ermöglicht, mit dem Ziel, die Gasversorgung für die kommenden Winter abzusichern. Das Parlament und insbesondere auch der Haushaltsausschuss haben sich für die Beratung dieses Infrastrukturprojektes vor der Insel Rügen viel Zeit genommen. Wir haben mehrfach unsere Bedenken und Zweifel an einem LNG-Terminal bei Rügen geäußert und die Bundesregierung aufgefordert, die Annahmen zu notwendigen und geplanten Kapazitäten dem Haushaltsgesetzgeber gegenüber darzustellen. Wir erkennen das Bemühen der Bundesregierung an, unsere Fragen überzeugend zu beantworten. Wir müssen aber feststellen, dass die Antworten nicht ausreichen, um unsere Zweifel auszuräumen.
Mit der Errichtung geht die Bundesregierung große ökonomische, ökologische und demokratische Risiken ein, die bei der Errichtung und dem zukünftigen Betrieb der Infrastruktur unbedingt im Blick behalten werden müssen. Verschiedene Studien und Institutionen warnen davor, dass Deutschland nicht benötigte Überkapazitäten errichtet, die in der Folge auch zu Lock-In-Effekten führen und den Umstieg auf klimaneutrale Energieträger verhindern oder zumindest verzögern können. Das wiederum darf mit Blick auf unsere verbindlichen nationalen Klimaziele und das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens nicht passieren.
Die Bedenken der lokalen Bevölkerung und Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie der Umweltverbände hinsichtlich der entstehenden Umweltschäden, der absehbaren Beeinträchtigung des Tourismus und möglicher Veränderungen im Wahlverhalten nehmen wir sehr ernst. Viele dieser Bedenken halten wir für sehr berechtigt. Die Entscheidung über den Standort Mukran ist deshalb eine sehr komplexe Abwägung verschiedener Faktoren und Argumente, bei der wir zu einem anderen Ergebnis als die Bundesregierung kommen.
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass der Standort Rügen vor allem mit Blick auf die Anbindung über Pipelines in Ost- und Süddeutschland sowie Osteuropa notwendig ist, um auch im Fall von Havarien, Anschlägen oder Ähnlichem die Energieversorgung zu sichern. Wir stellen diese Annahme in Frage, können aber auch nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen, dass dieser Standort eine unter allen Umständen verzichtbare Option für die Versorgungssicherheit Deutschlands darstellt.
Die ursprünglichen Planungen der Bundesregierung sahen bis zu vier schwimmende Flüssiggaseinheiten (FSRU) mit Finanzierung des Bundes am Standort Sellin vor. Die vielen Debatten auf der Insel, aber auch unsere Initiativen im Haushalts – sowie im Ausschuss für Klimaschutz und Energie haben dazu geführt, dass nunmehr nur noch zwei FSRU – und diese ausschließlich in privater Hand – im Hafen von Mukran anlanden sollen. Dies ist eine richtige – wenn auch nicht ausreichende – Verbesserung der Planungen.
Unsere Zustimmung zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes erfolgt im Sinne eines gemeinsamen Abstimmungsverhaltens in der Koalition und unter der Prämisse, dass der Standort Rügen in der Gesamtheit der geplanten LNG-Infrastruktur lediglich als eine Versicherungslösung der deutschen und europäischen Gasversorgung zu verstehen ist. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag müssen in den kommenden Jahren genau darauf achten, dass verzichtbare Überkapazitäten so schnell wie möglich abgebaut werden und der Umstieg auf eine erneuerbare und klimaneutrale Energieversorgung in keiner Weise durch die LNG-Infrastruktur verhindert oder auch nur verlangsamt wird. Das heißt auch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Wärmewende, die Mobilitätswende und die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft mit umso größerer Geschwindigkeit vorangetrieben werden müssen.
Wir erwarten, dass die Bedenken der Bevölkerung, der lokalen Akteure vor Ort, der Verbände und der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung des Standortes Mukran so gut wie möglich berücksichtigt werden.